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geschlechtsreif waren. Auch wenn ich es nicht wollte.?
Aomame seufzte nur tief. Sie wusste nicht, wie sie das emotionale Chaos, das in ihr wütete, zur Ruhe bringen sollte. Ihr Gesicht verzerrte sich, die rechte und die linke Hand schienen verschiedene Dinge anzustreben.
?Ich m?chte, dass Sie mich t?ten?, sagte der Mann. ?Ich will nicht l?nger auf dieser Welt leben, ganz gleich unter welchen Umst?nden. Ich bin ein Mensch, der eliminiert werden sollte, um das Gleichgewicht der Welt zu erhalten.?
?Gesetzt den Fall, ich t?te Sie, was ist dann??
?Die Little People verlieren den, der die Stimmen h?rt. Es gibt noch keinen Nachfolger für mich.?
?Und das soll ich glauben??, schnaubte Aomame.
?Wissen Sie, was Sie sind? Ein perverser Typ, der sich eine sch?ne Theorie zurechtgelegt hat, um seine Schweinereien zu rechtfertigen. Die Little People hat es nie gegeben, auch nicht die Stimme und die Gnade Gottes. Sie sind ein windiger Scharlatan, der sich als Prophet und religi?ser Führer aufspielt. Von Ihrer Sorte gibt es jede Menge auf der Welt.?
?Sehen Sie die Tischuhr??, sagte der Mann, ohne den Kopf zu heben. ?Dort rechts auf der Truhe.?
Aomame blickte nach rechts. Dort stand eine etwa hüfthohe geschwungene Truhe und auf ihr eine marmorne Uhr. Sie sah schwer aus.
?Sehen Sie sie bitte an. Schauen Sie nicht weg.?
Also drehte Aomame den Hals und starrte auf die Uhr. Sie spürte an ihren Fingern, wie s?mtliche Muskeln des Mannes hart wie Stein wurden. Sie strahlten eine unglaublich starke Energie aus. Wie auf den Befehl dieser Energie trennte sich die Uhr von der Oberfl?che der Truhe, bis sie zu schweben schien. Sie hob sich um etwa fünf Zentimeter in die Luft, entschloss sich mit leichtem Zittern, als würde sie z?gern, für eine Position und schwebte dort für etwa zehn Sekunden. Dann erschlafften die Muskeln des Mannes, und die Uhr fiel mit einem dumpfen Aufschlag auf die Truhe zurück. Als sei ihr pl?tzlich eingefallen, dass auf der Erde Schwerkraft herrschte.
Der Mann atmete lange und ersch?pft aus.
?Selbst solche Kleinigkeiten erfordern eine Menge Energie?, sagte er, nachdem er die Luft ganz ausgesto?en hatte. ?So viel, dass es mich aufzehrt. Aber ich wollte, dass Sie zumindest begreifen, dass ich kein windiger
Scharlatan bin.?
Aomame gab keine Antwort. Durch tiefes Ein- und Ausatmen gewann der Mann seine Kraft zurück. Die Uhr tickte reglos, als sei nichts gewesen, weiter auf ihrer Truhe vor sich hin. Sie war nur ein wenig verrutscht. Aomame hatte den Sekundenzeiger im Blick behalten, w?hrend er einmal das Zifferblatt umwanderte.
?Sie haben besondere F?higkeiten?, sagte sie mit rauer Stimme.
?Wie Sie sehen.?
?In dem Roman Die Brüder Karamasow gibt es diese Stelle von Christus und dem Teufel?, sagte Aomame. ?Christus fastet in der Wüste, und der Teufel verlangt von ihm, er solle ein Wunder wirken und Steine in Brot verwandeln. Aber Christus gehorcht ihm nicht. Denn das Wunder ist eine Versuchung des Teufels.?
?Ich wei?. Auch ich habe Die Brüder Karamasow gelesen. Sie haben natürlich recht. Eine gro?spurige Demonstration wie diese eben ist kein Beweis. Aber die Zeit, die ich habe, um Sie zu überzeugen, ist begrenzt. Also habe ich diesen Versuch gewagt.?
Aomame schwieg.
?Wenn es auf dieser Welt das absolut Gute nicht gibt, gibt es auch das absolut B?se nicht?, sagte der Mann. ?Gut und B?se sind keine festen, unver?nderlichen Gr??en, sondern Aspekte, die st?ndig je nach Perspektive wechseln. Was in einem Moment gut ist, kann im n?chsten b?se sein.
Und umgekehrt. Es ist diese Beschaffenheit der Welt, die Dostojewski in Die Brüder Karamasow beschreibt.
Entscheidend ist, das Gleichgewicht zwischen den sich in unabl?ssiger Bewegung befindlichen Kategorien von Gut und B?se zu erhalten. Bekommt eine Seite das
übergewicht, wird es schwierig, eine realistische Moral aufrechtzuerhalten. Ja, das Gleichgewicht an sich ist das Gute. Und ich muss sterben, um dieses Gleichgewicht herzustellen.?
?Ich sehe keine Notwendigkeit mehr, Sie hier und jetzt zu t?ten?, sagte Aomame aufrichtig. ?Sie wissen es wahrscheinlich: Ich bin in der Absicht gekommen, Sie umzubringen. Ein Mensch wie Sie darf nicht leben. Ich hatte vor, Sie unter allen Umst?nden vom Angesicht dieser Erde zu tilgen. Doch jetzt habe ich diese Absicht nicht mehr. Sie leiden fürchterliche Schmerzen, und ich wei? das. Von mir aus k?nnen Sie jetzt unter Qualen elendiglich zugrunde gehen. Es liegt nicht in meinem Interesse, Ihnen den Tod zu erleichtern.?
Der Mann, der noch immer auf dem Bauch lag, nickte. ?Wenn du mich t?test, werden meine Leute dich so lange jagen, bis sie dich finden.? Er duzte Aomame jetzt. ?Sie sind ein fanatischer Haufen, z?h und engstirnig. Mit mir würde die Gemeinschaft ihre treibende, einigende Kraft verlieren. Aber hat sich ein System wie dieses einmal herausgebildet, beginnt es ein Eigenleben zu führen.? Aomame h?rte zu.
?Schlimm, was deiner Freundin passiert ist?, sagte der Mann.
?Meiner Freundin??
?Die mit den Handschellen. Wie hie? sie noch??
In Aomame kehrte pl?tzlich Ruhe ein. Sie hatte keine widerstreitenden Gefühle mehr. Nur eine bleierne Stille senkte sich über sie.
?Ayumi Nakano?, sagte Aomame.
?Eine unglückselige Angelegenheit.?
?Haben Sie das getan??, fragte Aomame kalt. ?Haben Sie
Ayumi umgebracht??
?Aber nein. Ich hatte keinen Grund, sie zu t?ten.?
?Aber Sie wissen davon. Wer hat Ayumi umgebracht??
?Unsere Kundschafter sind der Sache nachgegangen?, sagte der Mann. ?Wer es war, wissen wir noch nicht. Nur, dass deine Freundin, die Polizistin, in einem Hotel von jemandem erdrosselt wurde.?
Aomame ballte ihre Rechte zu einer harten Faust. ?Aber Sie haben gesagt, ?schlimm, was deiner Freundin passiert ist?.?
?Ich konnte es nicht verhindern. Wer sie auch get?tet haben mag, es ist immer das schw?chste Glied, auf das sie als Erstes zielen. Wie W?lfe aus einer Herde Schafe das schw?chste Tier ausw?hlen.?
?Hei?t das, Ayumi war mein schw?chster Teil?? Der Mann antwortete nicht.
Aomame schloss die Augen. ?Aber warum mussten sie sie t?ten? Sie war ein liebes M?dchen. Sie hat niemandem etwas zuleide getan. Warum? Weil ich in diese
Sache verwickelt bin? Da h?tte es doch gereicht, mich aus dem Weg zu r?umen.?
?Dich k?nnen sie nicht vernichten.?
?Warum nicht??, fragte Aomame. ?Warum k?nnen die mich nicht vernichten??
?Weil du bereits zu einem besonderen Wesen geworden bist.?
?Ich bin ein besonderes Wesen??, sagte Aomame. ?In welcher Hinsicht??
?Das wirst du bald herausfinden.?
?Bald??
?Wenn die Zeit dazu gekommen ist.?
Aomame zog wieder eine Grimasse. ?Ich verstehe nicht, wovon Sie reden.?
?Du wirst es verstehen.?
Aomame schüttelte den Kopf. ?Wie dem auch sei, an mich kommen sie nicht heran. Also haben sie sich eine Schwachstelle in meinem Umfeld gesucht. Um mich zu warnen. Damit ich Sie nicht umbringe.?
Der Mann schwieg. Ein zustimmendes Schweigen.
?Das ist furchtbar?, sagte Aomame. Sie schüttelte den Kopf. ?Sie haben Ayumi get?tet, obwohl das nichts an der Realit?t ?ndert.?
?Nein, sie sind keine M?rder. Sie lassen sich nicht dazu herab, jemanden eigenh?ndig umzubringen. Was deine Freundin get?tet hat, war etwas, das in ihr selbst angelegt war. Früher oder sp?ter w?re es zu einer ?hnlichen Trag?die gekommen. Sie lebte riskant. Die haben nur den Ansto? gegeben. Quasi die Einstellung des Timers ge?ndert.?
Die Einstellung des Timers?
?Ayumi war kein elektrischer Backofen. Sondern ein lebendiger Mensch. Riskant oder nicht, sie hat mir viel bedeutet. Und ihr habt sie mir einfach genommen. Sinnlos und grausam.?
?Dein Zorn ist gerechtfertigt?, sagte der Mann. ?Du kannst ihn gern gegen mich richten.?
Aomame schüttelte den Kopf. ?Auch wenn ich Sie jetzt erledige, macht das Ayumi nicht wieder lebendig.?
?Aber du k?nntest den Little People damit einen Schlag versetzen. Sozusagen Rache nehmen. Sie wollen nicht, dass ich schon sterbe. Durch meinen Tod würde eine Lücke entstehen. Zumindest zeitweilig, bis sie einen Nachfolger finden. Für sie w?re das ein schwerer Schlag. Und zugleich ein Vorteil für dich.?
?Jemand hat einmal gesagt, nichts sei so kostspielig und fruchtlos wie Rache.?
?Winston Churchill. Allerdings hat er dies, soweit ich mich erinnere, ge?u?ert, um das Haushaltsdefizit des Britischen Empire zu entschuldigen. Der Satz hat keine moralische Bedeutung.?
?Moral interessiert mich nicht. Ihr K?rper wird von etwas R?tselhaftem aufgezehrt, und Sie werden unter Schmerzen sterben, ohne dass ich einen Finger krumm machen muss. Warum sollte ich Mitleid haben? Wenn der Welt alle Moral fl?ten geht und sie zusammenbricht, ist das nicht meine Schuld.?
Der Mann seufzte abermals tief. ?Ich verstehe. Ich verstehe dich sehr gut. Pass auf, ich biete dir eine Art Gesch?ft an. Wenn du meinem Leben jetzt ein Ende setzt, werde ich im Gegenzug dafür Tengo Kawanas Leben retten. So viel Macht bleibt mir noch.?
?Tengo?, sagte Aomame. Alle Kraft wich aus ihrem K?rper. ?Von ihm wissen Sie auch!?
?Ich wei? alles über dich. Habe ich doch gesagt. Oder sagen wir fast alles.?
?Aber Sie k?nnen nicht meine Gedanken lesen. Nie habe ich Tengos Namen auch nur einmal nach au?en dringen lassen. Ich habe ihn immer für mich behalten.?
?Aomame?, sagte der Mann und stie? einen kurzen Seufzer aus. ?Nichts auf dieser Welt kann man immer für sich behalten. Au?erdem spielt Herr Tengo Kawana – zuf?llig, k?nnte ich wohl sagen – im Augenblick eine nicht geringe Rolle für uns.?
责编:刘卓
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